Todesumstände bis heute ungeklärt

Aus der Offenbach Post vom 25.03.2022:

Todesumstände des ukrainischen Künstlers Valeri Gourski bis heute ungeklärt

Es ist ein Schicksal, das angesichts des russischen Angriffskrieges erneut an Schrecken gewinnt: Der verstorbene Dietzenbacher Künstler Valeri Gourski war Ukrainer und ewiger Gejagter des sowjetischen Geheimdienstes KGB.

Kritische Kunst: Valeri Gourski hielt den Tschetschenien-Krieg auf der Leinwand fest. © Gourski

Dietzenbach –  Im Jahr 1954 zu Zeiten der Sowjetunion geboren, litt er von Kindheit an unter den Repressalien des sogenannten Komitees für Staatssicherheit. Da sein Vater Pastor in der Pfingstler-Gemeinde war, befanden sich Valeri Gourski und die Familie unentwegt im Visier der Agenten. In einem autobiografischen Schreiben anlässlich seines Asylgesuches 1992 hält er fest, dass man seinen Vater Wladimir Fjodorowitsch Gourski an der Zollstation Przemysl tötete, nachdem man religiöse Literatur in seinem Gepäck gefunden hatte. Auch nach dem Tod des Vaters fanden die Gourskis keine Ruhe. Der Druck durch den KGB blieb bestehen – und setzte sich im Leben von Wladimirs Kindern fort.

Als überzeugter Christ galt auch Valeri Gourski als Regimegegner. Die Mitgliedschaft in der Pfingstler-Gemeinde haftete wie ein Makel an ihm. Seine Versuche, an der Kunsthochschule in Leviv beziehungsweise in Moskau angenommen zu werden, scheiterten. Immerhin gelang es ihm im Jahr 1972, seine Lehre als Holzbildhauer abzuschließen. Da er sich jedoch aus religiösen Gründen dem Wehrdienst verweigerte, zwang der sowjetische Staatsapparat ihn etwa, an der Errichtung des Atomkraftwerkes in Kursk mitzuarbeiten. Von seinem Glauben ließ sich der Künstler jedoch nicht abbringen. Denn er war willensstark, wie sein langjähriger Weggefährte Horst Schäfer erzählt, der ihn später nach Dietzenbach holen sollte. So gründete Gourski noch während seiner Arbeit am Atomkraftwerk einen christlichen Zirkel. Auch sonst leistete er immer wieder Widerstand. Gleichzeitig verschlechterte sich seine Situation in der ehemaligen Sowjetunion zusehends. Es kam zum Zerwürfnis mit den Pfingstlern, das eine Scheidung mit seiner Frau Lidia, die in der Gemeinde blieb, zur Folge hatte. Anschließende Versuche, sich eine Existenz aufzubauen, scheiterten.

Nachdem der KGB ihn mehrfach dazu aufforderte, für ihn zu spionieren, entschied sich Gourski für die Ausreise. Dabei verschlug es ihn zunächst nach Finsterwalde und im November 1990 nach München. Dort lernte Gourski Horst Schäfer kennen, der ihn, wie er sagt, „nach Dietzenbach lockte“.

In der Kreisstadt fertigte er verschiedene Kunstwerke an. So ist etwa auch der sogenannte Waldgeisterstamm, der heute noch am Rathaus steht, aus der Hand des ukrainischen Künstlers. Er widmete sich jedoch auch ernsteren Themen und hielt in seinen Werken etwa das Grauen des Tschetschenien-Krieges fest. In seinem künstlerischen Nachlass befinden sich auch weitere systemkritische Bilder. So bescheinigt ihm sein Freund Horst Schäfer: „Valeri war ein Mensch, der die Umstände, in denen er lebte, reflektierte und die Kritik daran nicht scheute.“ Zur Ruhe kam der Bildhauer jedoch auch in Deutschland nicht. „Er hat bis zu seinem Lebensende immer nur eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr erhalten“, erzählt Schäfer. Auch habe er stets den Eindruck gehabt, dass der KGB ihn auch nach dem Ende der Sowjetunion verfolgte.

Zum Verhängnis wurde ihm dann im Jahr 2006 eine Reise in die Ukraine. Mit der Hilfe seiner Unterstützer aus der Kreisstadt konnte er sich ein Visum für drei Monate erkämpfen, um seine todkranke Mutter zu sehen. Auf dem Rückweg nach Deutschland kam es in Polen zu einem Unfall, an dessen Folgen Valeri Gourski starb. Horst Schäfer, der sich nicht erklären konnte, wie sein umsichtiger und nicht zum Alkoholismus neigender Freund zu Tode kommen konnte, stellte Nachforschungen an. „Da seine Kfz-Versicherung auf mich lief, habe ich das Unfallprotokoll verlangt“, erzählt Schäfer. Aus diesem sei hervorgegangen, dass Gourski mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Fahrbahn abgedrängt worden sei und keine andere Möglichkeit mehr gehabt habe, als frontal mit einem LKW zusammen zu stoßen. Im Bericht der polnischen Polizei heißt es hingegen, der Kunstschaffende sei unvermittelt von der Fahrbahn abgekommen und habe so die Kollision verursacht. Dabei sei er zurück auf seine ursprüngliche Spur geschleudert worden und habe so den Fahrer eines Golfes gezwungen, in den Straßengraben zu fahren. Die Beamten mutmaßten, dass Valeri Gourski eingeschlafen war oder die Kontrolle über seinen Wagen verloren hatte und schlossen die Ermittlungen ab. (Anna Scholze)

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https://www.op-online.de/region/dietzenbach/vom-kgb-gejagt-91436677.html