Dokument 2 aus der I.u.D.-Stelle des Verwaltungsgerichts Wiesbaden:
A. Vermerk über die Vorsprache von Herrn Valéri Gourski beim ukrainischen Generalkonsulat in Frankfurt a.M. am Freitag, dem 15.September 2006.
Herr Valéri Gourski stellte im November 2005 bei der Ausländerbehörde beim Landrat des Kreises Offenbach a.M. einen Antrag auf Erteilen eines Reisedokumentes zum Zwecke des Besuchens seiner – 87 Jahre alten, schwerkranken, gebrechlichen, altersschwachen und in der Ukraine lebenden – Mutter. Daraufhin erhielt er von der Ausländerbehörde am 14.September 2006 einen Reiseausweis für Ausländer; dieser ist bis zum Januar 2007 befristet und gilt nur für die Länder Polen und Ukraine.
Herr Gourski sprach am Freitag, dem 15.September 2006 beim ukrainischen Generalkonsulat in Frankfurt a.M., Brönnerstr.15 vor um ein Visum für die Ukraine zu erlangen.
Er stellte dort zunächst die Frage, ob das – an das Generalkonsulat gerichtete – Schreiben seines Dietzenbacher Rechtsanwaltes vom 28.7.2006 zwecks Erteilens einer Bescheinigung/Negativbescheinigung über die ukrainische Staatsangehörigkeit nebst seinem handschriftlich ausgefüllten Antragsformular vom 21.7.2006 und nebst den Anlagen
(Kopie des abgelaufenen sowjetischen Reisepasses, Meldebescheinigung der Stadt Dietzenbach, Kopie der Überweisung der Konsulargebühr in Höhe von 42,– €, Kopie der Negativbescheinigung der ukrainischen Botschaft vom 1.9.1999, Kopien der Schreiben des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 4.5.2006 und vom 12.5.2006)
beim Generalkonsulat eingegangen sei. Er erhielt vom – für das Erteilen von Visa sachlich allein zuständigen – Vizekonsul S.Malinovskyi die Antwort: „Dieses Schreiben ist dem Generalkonsulat unbekannt. Wir kennen dieses Schreiben nicht und haben es nicht erhalten!“
Darauf übergab Herr Gourski seine eigenen Kopien des Anwaltsschreibens vom 28.7.2006 nebst allen Anlagen einer Konsulatsbediensteten, die für das Erteilen von Bescheinigungen/Negativbescheinigungen über die Staatsangehörigkeit alleine sachlich zuständig ist. Diese fertigte sodann für sich und für den Vizekonsul jeweils 2-fach Kopien sämtlicher übergebener Unterlagen. Das Generalkonsulat führt über das Erteilen des Visums einerseits und über das Erteilen einer Negativ-Bescheinigung andererseits offenbar 2 getrennte Verfahrensvorgänge.
Nachdem der Vizekonsul Malinovskyi die Kopie des sowjetischen Reisepasses durchgesehen hatte, hatte er festgestellt, daß Herr Gourski 1990 das Gebiet der damaligen UdSSR verlassen hatte und seither nicht mehr in sein Herkunftsland zurückgekehrt war. Daraufhin forderte er Herrn Gourski auf, in einer formlosen handschriftlichen Erklärung darzulegen, was er seit 1990 in der BRD gemacht habe.
Herr Gourski setzte sodann eine solche Erklärung auf, in der er u.a. schrieb, daß er 1990-1995 in der BRD ein Asylverfahren betrieben habe, daß er 1995 in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis als Künstler erhalten habe, und daß er im Jahre 2000 in der BRD einen Einbürgerungsantrag gestellt habe. Als er dieses Schriftstück dann dem Vizekonsul vorgelegt hatte, las dieser es durch. Dabei unterstrich dieser die Passagen die Asyl- und Einbürgerungsverfahren betreffend mit seinem Kugelschreiber und fragte Herrn Gourski: „Warum waren Sie denn 1990 aus der UdSSR geflüchtet?“
Daraufhin antwortete Herr Gourski: “Ich war staatlichen Repressionen ausgesetzt.“
Der Vizekonsul Malinovskyi entgegnete: „Die Asylfrage ist für das Erteilen eines Visums schlecht. Ob Sie hiernach ein Visum erhalten werden, ist fraglich. Ich weiß das nicht.“
Der Verfasser dieses Vermerkes beschloß daraufhin, Herrn Gourski bei einer erneuten Vorsprache beim ukrainischen Generalkonsulat in Frankfurt a.M. zu begleiten.
B. Vermerk über die Vorsprache von Herrn Valéri Gourski beim ukrainischen Generalkonsulat in Frankfurt a.M. am Dienstag, dem 19.September 2006.
Wir traten am Vormittag des 19.September 2006 – nach vorheriger Personenkontrolle – in den Vorraum des Generalkonsulats. Der Schalterraum hat etwa 40 qm. In ihm sind 3 Schalter mit schußsicherem Glas. Man spricht mit den Schalterbediensteten über Mikrofone und Lautsprecher. Der Schalter 1 war mit dem Vizekonsul S.Malinovskyi, der Schalter 3 mit einer namentlich nicht bekannten Konsulatsbediensteten besetzt. Der Schalter 2 war unbesetzt.
Wir traten gegen 9.30 Uhr zunächst an den Schalter des Vizekonsuls. Ich fragte ihn zunächst, ob ich mit ihm in deutscher Sprache reden könne. Er bejahte dies. Sodann zeigte ich ihm eine Kopie des o.a. Anwaltsschreibens vom 28.7.2006 und fragte, ob dieses Schreiben nebst den Anlagen beim Konsulat eingegangen sei.
Darauf Herr Malinovskyi: „Ich kenne dieses Schreiben nicht. Das ist hier bisher nicht eingegangen und auch nicht vorgelegt worden.“
Ich hielt ihm vor: „Aber Herr Gourski war doch am vergangenen Freitag hier im Konsulat und Ihre Kollegin von Schalter 3 hat an diesem Tage vom Anwaltsschreiben und sämtlichen Anlagen jeweils 2-fach Kopien angefertigt und einbehalten. Sie müssen das doch in Ihrer Eingangsliste eingetragen haben.“
Darauf der Vizekonsul streng, kategorisch und imperativ abweisend: „Nein! Ein solches Schreiben liegt hier nicht vor! Wegen der Bescheinigung bzw. Negativbescheinigung über die Staatsangehörigkeit müssen Sie an Schalter 3 vorsprechen!“
Ich fragte weiter: „Aber haben Sie denn nicht wenigstens den Eingang der Konsulargebühr in Höhe von 42,00 € registriert, die Ihnen am 19.Juli 2006 überwiesen worden war? Was ist denn damit geschehen?“
Darauf der Vizekonsul gelassen: „Njet! Ich kenne das nicht!“
Herr Gourski legte dem Vizekonsul alsdann das Original seines neuen „Reiseausweises für Ausländer“ vor. Ich stellte Herrn Malinovskyi hierzu die Frage, ob Herr Gourski mit diesem Reisedokument ein Visum
– entweder von ukrainischen Grenzbehörden bei der Einreise an der polnisch-ukrainischen Grenze
– oder auf schriftlichem Wege über das Konsulat
erlangen könne.
Darauf Herr Malinovskyi: „Herr Gourski kann mit diesem Papier nicht in die Ukraine einreisen. Er braucht ein Visum, das er zuvor beantragen muß!“
Ich frage zurück: „Kann Herr Gourski denn mit einem solchen Visum überhaupt rechnen und wielange muß er ggf. auf ein solches Visum warten?“
Darauf Herr Malinovskyi: „Ob Herr Gourski ein Visum bekommen wird, weiß ich nicht. Das hängt davon ab, ob zuvor seine ukrainische Staatsangehörigkeit geklärt werden kann. Wir wissen ja nicht, ob er ukrainischer Staatsbürger ist oder nicht.“
Ich lege ihm daraufhin die mit Dienststempel versehene Negativbescheinigung der ukrainischen Botschaft vom 1.9.1999 vor und erkläre dazu, daß diese in meinem Beisein am 1.9.1999 in Remagen ausgestellt worden sei.
Darauf Herr Malinovskyi mit einer abweisenden Handbewegung: „Das interessiert uns nicht!“
Ich frage weiter: „Wielange kann es denn dauern, bis die Antwort aus Kiew zu Herrn Gourski’s Staatsangehörigkeit bei Ihnen eingetroffen sein wird?“
Darauf Herr Malinovskyi: „Das kann 8 Monate, vielleicht auch 12 Monate dauern. Wegen der Negativbescheinigung müssen Sie im übrigen an Schalter 3 vorsprechen.“
Ich erinnere mich, daß dieses Generalkonsulat in seinem Schreiben vom 4.11.2005 an die Einbürgerungsbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt bereits mitgeteilt hatte, daß die Prüfung der Staatsangehörigkeitsfrage „3 – 8 Monate dauern kann“. Nun hat der Vizekonsul Malinovskyi die mögliche Bearbeitungsdauer auf 12 Monate erhöht.
Ich frage weiter: „Bekäme Herr Gourski denn im Falle des Ausstellens einer Negativbescheinigung ein Visum für die Einreise in die Ukraine?“
Darauf Herr Malinovskyi: „Er braucht in diesem Falle ein Visum. Das könnte er dann bekommen
– entweder als gebürtiger Ukrainer; er braucht dann aber eine formgebundene Einladung z.B. seiner Mutter oder seiner Schwester
– oder in Form eines Touristenvisums (ohne Einladung); dies wird aber nur über Reisebüros erteilt.“
Ich frage weiter: „Unter welchen Umständen könnte Herr Gourski denn im Falle des Ausstellens einer Positivbescheinigung in die Ukraine einreisen?“
Darauf Herr Malinovskyi: „Dann müsste er persönlich in die Ukraine fahren und dort einen Reisepaß beantragen. Die Konsulate im Ausland dürfen keine Reisepässe ausstellen.“
Wir stellen uns dann in die Schlange vor dem Schalter 3. Nach etwa 10 Minuten sind wir an der Reihe. Da Herr Gourski die Situation befürchtet hatte, daß der Eingang des o.a. Anwaltsschreibens vom 28.7.2006 erneut verneint werden würde, hatte er vorsorglich das Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 28.7.2006 und sämtliche Anlagen in weiteren Kopien mitgenommen. Diese legten wir nun der Konsulatsbediensteten vor.
Ich frage Sie, ob ich mit ihr in deutscher Sprache reden könne. Das bejaht sie.
Ich frage sie: „Herr Gourski hat Ihnen am vergangenen Freitag hier Kopien des Schreibens seines Rechtsanwaltes vom 28.7.2006 nebst sämtlichen Anlagen und auch des Antrages auf Bescheinigung/Negativbescheinigung über die ukrainische Staatsangehörigkeit vom 21.7.2006 hinterlassen, die der Rechtsanwalt Ihnen bereits Ende Juli 2006 geschickt hatte. Liegt Ihnen dies vor?“
Darauf die Konsulatsbedienstete: „Das ist hier bisher weder eingegangen noch liegt es hier vor.“
Ich hake nach: „Aber Herr Gourski war doch am vergangenen Freitag bei Ihnen persönlich und Sie selbst haben vom Anwaltsschreiben, von sämtlichen Anlagen und vom Negativbescheinigungsantrag jeweils 2-fach Kopien angefertigt und einbehalten.“
Darauf die Konsularbedienstete: „Uns liegt das bis heute nicht vor!“
Sodann übergeben wir ihr unsere – vorsorglich mitgebrachten – Kopien des Anwaltsschreibens, von sämtlichen Anlagen und vom Antrag auf Negativbescheinigung erneut. Sie nimmt sie entgegen und ich habe den Eindruck, daß meine Anwesenheit Einfluß wenigstens auf die Bereitschaft zur Entgegennahme dieser Schriftstücke hatte. Die Konsulatsbedienstete sichert uns letztlich zu, diese Schriftstücke weiterzuleiten.
Unsere Vorsprachen an den beiden Schaltern waren von Beratungspausen unterbrochen. Währenddessen traten andere Bittsteller an die Schalter. Mir fiel auf, daß immer dann, wenn Herr Gourski und ich an den Schalter traten, ein uniformierter weiterer Bediensteter des Generalkonsulates hinter den Vizekonsul oder seine Kollegin trat und unsere Gespräche mitverfolgte. Bei anderen Bittstellern konnte ich das nicht beobachten.
Die Atmosphäre unter den Bittstellern im Warteraum vor den Schaltern wirkte bedrückt, die Gespräche an den Schaltern wurden fast durchweg in Erregung und lautstark geführt.
Wir verließen gegen 11.00 Uhr das Generalkonsulat.
Durch das Gespräch mit dem Vizekonsul angeregt, gingen wir sodann in das Reisebüro „Visumzentrale“, welches sich im Erdgeschoß desselben Hauses Brönnerstr.15 befindet. Dieses Reisebüro wirbt auf seinen Visitenkarten mit „Visa in alle GUS-Länder – sehr günstig, schnell und sicher“. In dem Großraum arbeiteten 3 Frauen und 1 Mann. Herr Gourski konnte sich mit ihnen allen in russischer Sprache unterhalten. Wir zeigten dort Herrn Gourski’s neuen „Reiseausweis für Ausländer“ und fragten, ob er damit ein Touristenvisum erlangen könne.
Darauf erhielten wir zur Antwort: „Wenn der Konsul das erlaubt, können wir das machen. Aber mit diesem Reisedokument dürfte das sehr schwer werden.“
Ich fragte weiter: „Was würde denn ein solches Touristenvisum kosten?“
Darauf die Antwort: „Es gibt ein normales und ein Express-Visum. Was die kosten, wissen wir nicht. Das hängt vom Konsulat ab.“
Wir denken darüber nach, warum ein auf Touristenreisen in alle GUS-Länder spezialisiertes und offenbar auch mit dem ukrainischen Generalkonsulat zusammenarbeitendes Reisebüro die Kosten für Visa in die Ukraine nicht kennt.
Nach dem heutigen Besuch beim ukrainischen Generalkonsulat ziehe ich das persönliche Fazit, daß Herr Gourski ein Visum zum Besuch seiner Mutter und Geschwister wohl kaum jemals erlangen wird. Das Konsulat ignoriert seine schriftlichen Eingaben dann, wenn es keine Zeugen gibt, es schikaniert ihn, es forscht ihn aus, es verweigert Auskünfte selbst über nachweislich eingezahlte Konsulargebühren und schraubt die Hürden für ein solches Visum individuell in eine Höhe, die Herr Gourski auf dem Bürokratieweg wohl nicht wird erreichen können. Gründe für dieses Verhalten der Konsulatsbehörde könnten – ausweislich der Aussagen des Vizekonsuls Malinovskyi – einerseits die ihm offenbar nach wie vor angelastete Republik- und Fahnenflucht und andererseits auch seine Ablehnung des Einsetzens korruptiver Mittel sein, die – ausweislich des Lageberichtes Ukraine des Auswärtigen Amtes – nach wie vor üblich sind.
Frankfurt a.M., am 19.September 2006
N.N.