31.3.1994 Auszug aus dem Urteil des Bayer.Verwaltungsgerichts Ansbach

Auszug aus dem Urteil des Bayer.Verwaltungsgerichts Ansbach

vom 31.3.1994 – Az. AN 4 K 91.41927:

 aus dem Tatbestand:

….Herrn Gourski’s Anwälte legten dar, daß sich aus seiner Niederschrift „Familiärer Hintergrund“ eine erhebliche und asylrelevante Gefährdung für ihn ergebe. Der ukrainische und der russische Geheimdienst würden sich als Nachfolgeorganisationen des KGB begreifen, die früheren Führungsleute seien auch heute noch unverändert in Führungspositionen der Nachfolgedienste. Herrn Gourski’s Verhalten werde auch heute noch von den Diensten als Verrat gewertet und werde dazu führen, daß er Opfer eines Mordanschlages, einer fingierten Anklage würde oder wegen Vaterlandsverrates inhaftiert würde….. Der Einfluß der alten Kräfte in der Ukraine sei im tatsächlichen Bereich größer als der der demokratischen Kräfte, die Anrufung eines Gerichtes oder die Berufung auf gesetzliche Rechte könnte somit in der Realität nicht eingelöst werden. Herr Gourski sei zudem auch in Deutschland bedroht worden, und zwar offenbar von Angehörigen des ukrainischen Sicherheitsdienstes, zuletzt im Dezember 1993 in einer Bar in München, einem ukrainischen Treffpunkt…..

aus den Entscheidungsgründen:

…..Herr Gourski ist nicht politisch Verfolgter i.S.d.Art.16 Abs.2 GG. Er ist nicht als politisch Verfolgter nach Deutschland gekommen, auch bei Rückkehr in die Ukraine muß er mit einer politischen Verfolgung oder bleiberechtlich sonst maßgeblichen Bedrängung nicht rechnen. Er mag gewiß – wie die allermeisten seiner Landsleute – Schlimmes unter der kommunistischen Zwangsherrschaft erlebt haben und manchen Bedrängnissen, insbesondere aufgrund der fehlenden Reisefreiheit, ausgesetzt gewesen sein, politisch Verfolgter war er aber zu keiner Zeit, insbesondere längst nicht mehr, als er im Dezember 1990 nach Deutschland kam. Dies wird belegt durch seine Lebensverhältnisse in den letzten Jahren in der Ukraine……  Abrundend wird die mangelnde vorverfolgte Eigenschaft bestätigt durch die Tatsache, daß er von 1982 bis einschließlich 1991 mit dem KGB zusammengearbeitet hat…..

Herr Gourski ist aber auch nicht politisch Verfolgter i.S.d. Genfer Konvention (§ 51 Abs.1 AuslG), denn er muß auch bei Rückkehr in die Ukraine nichts Maßgebliches befürchten. Er ist auch tatsächlich selbst nicht in Furcht, denn sonst wäre er nicht ausgerechnet nach Deutschland gekommen, wo die von ihm angeblich so gefürchteten Dienste der Ostländer freie Bahn haben, und hätte sich nicht ausgerechnet in München niedergelassen, wo es sich hier doch um einen Sammelpunkt und Sammelort von ukrainischen Emigranten handelt mit ukrainischer Universität, ukrainischer Kirche und ukrainischen Gaststätten, ukrainischem Haus und ukrainischen Treffpunkten, so daß er hier keinesfalls geringerweise beeinträchtigt ist, wie er in der Ukraine beeinträchtigt wäre. Es mag in der Ukraine vereinzelt politische Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden noch geben, jedenfalls hat Herr Gourski nach der Beseitigung der kommunistischen Zwangsherrschaft und der Öffnung des Landes nun genügend Möglichkeiten, dagegen anzugehen bzw. solchen Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen. Auch wenn in vielen Bereichen, in Ämtern und Betrieben die bisherigen Personen weiterwirken mögen, so kann doch mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, daß sie sich an die neuen Regeln halten, wie sie von der Staatsspitze gesetzt worden sind, auch wenn Gesetze und Verfassung formal noch nicht geändert worden sind…..

Nichts spricht dafür, daß Herr Gourski wegen seiner KGB-Mitarbeit eine unzumutbare Bedrängung droht. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 31.1.1994 sind Polizei und Justiz der Ukraine gehalten und zum überwiegenden Teil auch willens, den Bürgern Schutz vor den Maßnahmen krimineller Organisationen zu gewähren. Im Sicherheitsdienst der Ukraine (Nachfolgeorganisation des KGB) hat unter Beibehaltung des klassischen Aufgabenbereichs der Auslandsaufklärung sich eine Verlagerung der Inlandstätigkeit von der Bespitzelung, Einschüchterung und Disziplinierung der Bevölkerung hin zur Aufklärung und Bekämpfung der organisierten Kriminalität vollzogen. Es liegt auf der Hand und ist angesichts der zeitgeschichtlichen Ereignisse offenbar, daß eine Geheimdienstmitarbeit für die Sowjetunion, der Verrat von sowjetischen KGB-Aktionen und KGB-Leuten nach dem Zerfall der Sowjetunion für die Dienste der nun selbständig gewordenen Staaten, hier der Ukraine, völlig uninteressant geworden ist, weil sich die Aufgaben völlig verschoben haben, zumal inzwischen mehrere Jahre verstrichen sind seit den – im übrigen völlig uninteressanten – Offenbarungen Herrn Gourski’s. Obgleich sich die Einzelmaßnahmen dieses Dienstes dem Einblick weitgehend entziehen, werden Übergriffe wie Wohnungseinbrüche etc. zum gegenwärtigen Zeitpunkt für wenig wahrscheinlich gehalten. Die Maßnahmen des Sicherheitsdienstes unterliegen den Rechtsvorschriften der Ukraine und sind geerichtlich nachprüfbar. Die ukrainischen Bürger genießen Rechtsschutz vor Übergriffen staatlicher Organe. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens dahin, daß sich der ukrainische und der russische Geheimdienst als Nachfolgeorganisation des KGB begreifen und frühere Führungsleute auch heute noch führend in den Nachfolgediensten tätig sind, daß ein Verhalten wie das von Herrn Gourski von den Diensten als Verrat gewertet würde und dazu führen würde, daß er entweder Opfer eines Mordanschlages oder einer fingierten Anklage würde oder zumindest wegen Vaterlandsverrates inhaftiert würde, bedarf es nicht, da die zu beweisenden Tatsachen aus Herrn Gourski’s Gesamtvorbringen, aus den Auskünften sachverständiger Stellen und aus den allgemeinen Erkenntnissen über die Situation nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Entstehung der selbständigen Staaten auf den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere der Ukraine, gezogen werden können…..