März 1992 Niederschrift zu seinem Asylbegehren (Autobiographie)

Valéri Gourski’s Niederschrift „Familiärer Hintergrund“ vom März 1992 zu seinem Asylbegehren in Deutschland:

 Mein Vater heißt Wladimir Fjodorowitsch Gourski. Er war 1912 als Sohn eines ukrainischen Försters in der Stadt Nyzi im Süden der Ukraine geboren. Er war Chorknabe im örtlichen russisch-orthodoxen Kirchenchor. Später hatte er eine Missionarstätigkeit für die Gemeinde der Pfingstler in der Ukraine und in Polen ausgeübt.

Die sowjetischen Behörden hatten die Familie nach Sibirien deportiert. Der gesamte Familienbesitz war vom Staat konfisziert worden. Während des 2.Weltkrieges hatte mein Vater auch als Veterinär gearbeitet. Nach dem Krieg war er – gemeinsam mit seinem Bruder Jakob – verhaftet und zu 9 Jahren Lagerhaft in der autonomen Sowjetrepublik Komi verurteilt worden. Jakob war wahrscheinlich im Gefängnis in Gorkij hingerichtet worden.

Sein weiterer Bruder Archip war wegen ukrainisch-patriotischer Tätigkeit zu 10 Jahren Haft verurteilt worden. Auch er hatte seine Strafe in den Lagern Workuta’s verbüßt.

1954 wurde mein Vater Pastor der Pfingstler-Gemeinde in Nowowolynsk in der Ukraine. Als er sich weigerte, die Gemeinde behördlich registrieren zu lassen, wurde er vor die Alternative gestellt, entweder die Stadt zu verlassen oder erneut verhaftet zu werden. Seine Familienangehörigen folgten ihm weiter nach Barnaul in Sibirien. Begleitet von der sich immer wiederholenden Drohung der Inhaftierung seitens der jeweiligen lokalen Sowjetbehörden, von Hetzartikeln in der jeweiligen örtlichen Presse und ständigen Denunziationen zog die Familie von Ekibastus nach Schdanow, dann nach Kovel und nach Labinsk. In Labinsk nahm mein Vater die Stelle eines – für die Sowjets illegalen – Bischofs der Region Kuban und Kaukasus an.

Die Bedingungen, unter denen die Familie überleben mußte, waren hart. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter waren gezwungen, schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen um sich und die vier Kinder Fajna, Valeri, Ljuba und Valentina zu ernähren. Die andauernde Gefahr einer neuerlichen Verhaftung, ständige Provokationen an den Arbeitsstellen und seitens mit dem KGB kollaborierender Geistlicher innerhalb der Kirche erschwerten die Situation erheblich. In seiner Arbeit und auch in der Religionsgemeinde umgaben meinen Vater Informanten und Spitzel des KGB, die er entlarvte. Dadurch wurde er wachsendem Ärger mit deren Auftraggebern ausgesetzt. Schon bald war er gezwungen, seine Stelle in Labinsk aufzugeben und weiter nach Kovel zu ziehen.

In Kovel deckte er die enge Zusammenarbeit der Westlichen Bruderschaft der Pfingstler mit dem KGB auf und versuchte eine Reihe von Kirchenspaltungen innerhalb der Westlichen Bruderschaft. Der KGB unternahm zwei mal Anschläge auf meinen Vater.

1974 reiste er nach Polen, wo er als Gastredner an einem verbotenen Treffen von Baptisten und Pfingstlern aus Europa teilnahm, um über die Lage der Kirche in der UdSSR zu berichten. Auf der Rückfahrt in die Ukraine wurde er bei der Durchsicht seines Gepäcks, in dem er religiöse Literatur mitführte, in der Zollstation Przemysl ermordet.

Meine Mutter heißt Praskowja Grigorjewna Gourskaja. Auch sie ist Ukrainerin. Sie war 1920 in Sekun/Ukraine geboren.

Als Jugendliche besuchte sie die Bibelschule der Missionare in Sekun. Sie heiratete 1936 Josip Kalko. Er war Sohn eines russisch-orthodoxen Priesters. Mit ihm hatte sie eine Tochter, Fajna. Dieser Ehemann meiner Mutter sang im Kirchenchor, war begütert, ukrainisch-patriotisch eingestellt, wehrte sich gegen die Zwangskollektivierung. Darauf wurde er abgeholt, gefoltert und im Herbst 1939 im Dorf Oblapi, Kreis Wolyn/Ukraine ermordet.

Meine Mutter lernte dann ihren zweiten Ehemann, meinen Vater Wladimir Fjodorowitsch Gourski kennen und konvertierte zu den Pfingstlern. Sie heirateten 1940. 1941 brachte meine Mutter ihren Sohn Benjamin und 1944 ihre Tochter Galja zur Welt. Beide Kinder starben während des Krieges. Aus dieser Ehe gingen die weiteren Kinder Valeri (1954), Ljuba (1959) und Valentina (1960) hervor.

An der Seite ihres (zweiten) Ehemannes ertrug meine Mutter gläubig und geduldig alle Entbehrungen und Leiden. Zeitlebens litt sie an einem Herzleiden. Sie zog 4 Kinder und 8 Enkelkinder im christlichen Glauben auf.

Selbst nach dem Tod meines Vaters 1974 nahm der Druck des KGB nicht ab. So wurde meine Mutter aus der Kirche ausgeschlossen und erst nachdem ich Kontakt zu Mitarbeitern des KGB aufgenommen hatte, erfuhr ich 1991 aus einem Brief meiner Mutter von ihrer Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Kirche.

Ihr ganzes Leben war meine Mutter gezwungen, schwere unterbezahlte Arbeiten anzunehmen, u.a. in einer Textilfabrik in Kovel. Drei mal wurde in ihre Wohnung eingebrochen.

Meine Stiefschwester Fajna hat 6 Kinder. Sie ist verwitwet, lebt in armen Verhältnissen und ist häufig krank. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Putzfrau.

Meine Schwester Ljuba ist unverheiratet. Sie wurde an ihrer Arbeitsstelle und in ihrer Nachbarschaft denunziert und mußte umziehen. Von Leningrad, wo sie 10 Jahre lang lebte, zog sie zur Mutter nach Kovel.

Meine Schwester Valentina ist verheiratet und hat 3 Kinder. Sie ist arm und häufig krank.

Alle meine Angehörigen sind gläubig und gehören der Kirchengemeinschaft der Pfingstler an.

Mein Name ist Valeri Vladimirowitsch Gourski. Ich bin Ukrainer, geboren am 9.Juli 1954 in Kovel/Ukraine. Schon als Kind nahm ich regen Anteil an der kirchlichen Tätigkeit meines Vaters. Ich beteiligte mich an der Organisation christlich-religiöser Kindergruppen und begleitete meinen Vater während seiner Reisen in benachbarte Gemeinden, wo er predigte.

In den Schulen, die ich besuchte, versuchten die Lehrer und Mitschüler mich „umzuerziehen“. Die lokale Presse veröffentlichte Hetzartikel über unsere Familie. Wiederholt wurde die Frage des Entzugs der Erziehungsberechtigung meiner Eltern und mein Ausschluß aus der Schule erwogen. Infolge meiner Moralansichten, insbesondere meiner Verurteilung von Bereicherung und Diebstahl, geriet ich sowohl an meiner Arbeitsstelle als auch in der Kirche in Konflikt mit Vorgesetzten, die beispielsweise Baumaterial stahlen, das ihnen anvertraut war.

Da die Mitgliedschaft in der Pfingstler-Gemeinde in meinen Papieren festgehalten war, wurde ich weder in Lviv/Lemberg noch in Moskau an der Kunsthochschule angenommen.

Als ich im Jahre 1973 zum Wehrdienst eingezogen wurde und mich – aus religiösen Gründen – weigerte, den Dienst an der Waffe anzutreten, erfolgte eine Reihe von Verhaftungen. Alle religiösen Dinge, die ich besaß wurden konfisziert. Ich wurde zum Bau der Automobilfabrik in Togliatti, später zur Errichtung des Atomkraftwerkes in Kursk abkommandiert. Während des Einsatzes in Kursk rief ich in Kurtschatow einen christlichen Zirkel ins Leben.

Nach meiner Rückkehr nach Kovel setzte ich mein religiöses Engagement fort. Schon bald begann auch hier die Behinderung meiner Tätigkeit durch KGB-Mitarbeiter in den Reihen der Kirche. Ich wurde verleumdet und mein Tun diskreditiert. Diese Pastoren untersagten mir jegliche religiöse Arbeit. Meine finanzielle Lage verschlechterte sich zusehends. Immer seltener konnte ich eine Anstellung finden, mein Leben wurde immer dürftiger. Um weiteren Verfolgungen durch den KGB mittels der örtlichen Pastoren zu entgehen, entschloß ich mich zum Austritt aus der Gemeinde.

Ich gründete eine eigene religiöse Gruppe, die alsbald ebenfalls zum Ziel von Denunzianten wurde. Unmittelbar darauf erfolgten mehrere Gespräche mit Mitarbeitern des KGB. Für einige Informationen über mir bekannte Kleinkriminelle boten sie mir umfassende Unterstützung an. Als ich mich weigerte, drohte man mir, ich würde meine Absage bereuen.

In meiner eigenen Gruppe, die sich zwischenzeitlich der Östlichen Bruderschaft der Pfingstler angeschlossen hatte, wurde ich von jedweder Mitarbeit abgedrängt, sodaß ich mich zum endgültigen Bruch mit den Pfingstlern entschloß und mich anderen christlichen Glaubensgemeinschaften zuwandte. Meine Mutter wurde kurz darauf für ihre Unterstützung meines Vaters in dessen „kirchenfeindlichen“ Aktivitäten exkommuniziert.

Ich hatte 1979 geheiratet. Meine Frau Lidia und meine 3 Kinder waren Pfingstler geblieben. Die Kirchenführung verbot ihr, weiter mit mir zusammenzuleben und sie bat mich, in die Scheidung einzuwilligen. Wir wurden 1984 geschieden. Das Familiengericht bestimmte, daß ich die Hälfte meines Einkommens in Form von Unterhaltszahlungen an meine Frau zu leisten hätte. Da ich entweder keine Arbeit bekam oder zu sehr niedrigen Löhnen arbeiten mußte, war ich meist nicht in der Lage, irgendetwas an meine Frau zu zahlen. Nach sowjetischem Recht machte ich mich dadurch eines Strafvergehens schuldig und konnte jederzeit belangt werden.

Nachdem es mir nicht mehr möglich war, in Kovel eine Anstellung zu finden, siedelte ich in die südlichen zentralasiatischen Sowjetrepubliken über. Ich arbeitete dort als Bildhauer, wobei die Hälfte des Verdienstes an die jeweilige Mafia abgeführt werden mußte. Ein längerer Aufenthalt dort schien mir unmöglich, die einzige Chance, eine Rückkehr ins heimatliche Kovel. Hier war die Situation noch aussichtsloser, da ich überhaupt keine Arbeit mehr finden konnte. Ich war nicht in der Lage, für meine Kinder zu sorgen und ihre Zukunft zu sichern. Der KGB drohte erneut mich zu verhaften. Schließlich sah ich keine andere Möglichkeit meine Familie zu retten als dem Drängen nachzugeben und Informant des KGB zu werden. Auf Anweisung des KGB setzte nunmehr die Miliz die Verfolgung und Erpressung meiner Familie und gegen mich fort.

Mein kirchliches Engagement führte ich in der russisch-orthodoxen Kirche weiter. Ich sang dort im Kirchenchor, nahm an Diskussionsabenden teil und predigte selber unter Gläubigen und Nicht-Gläubigen. Damals wollte ich ins Priesterseminar eintreten und Theologie studieren. Zu diesem Zweck fuhr ich nach Leningrad, dann nach Moskau, wo ich im Kloster Zagorsk lebte. Meine Bewerbung wurde allerdings abgelehnt, wonach ich nach Kiew umzog. Dort beteiligte ich mich an der Errichtung eines Kinderdorfes und seiner künstlerischen Gestaltung. Mein Gehalt wurde mir lediglich zu 10 Prozent ausgezahlt. Nachdem ich mich beim KGB beschwert und meinen Restlohn eingefordert hatte, erhob die Miliz Anklage gegen mich. Meine Umgebung bestand zu jener Zeit mehrheitlich aus Geistlichen verschiedener Glaubensrichtungen, aus Sektenmitgliedern u.a. In diesen Kreisen erörterte ich offen politische Fragen und erzählte von der allgemeinen Korruption innerhalb der KP-Organisationen.

In Moskau erhielt ich die Priesterweihe der für die Sowjets illegalen russisch-orthodoxen Katakombenkirche und begann, heimlich Messen in Wohnungen Gläubiger zu zelebrieren. In Moskau und Kiew organisierte ich ökumenisch-philosophische Gesprächsrunden. Nachdem die Errichtung des Kinderdorfes in Kiew abgeschlossen war, zog ich nach Uschgorod, wo ich an der Errichtung einer privaten Kooperative teilnahm. Das örtliche Büro des KGB forderte mich auf, Eingang in die Untergrundorganisation der lokalen – seit 1946 in der Ukraine verbotenen – unierten griechisch-katholischen Gemeinde zu finden, um von deren Kontakten zum Vatikan und dem Ausland zu berichten. Da ich mich weigerte an diesem Projekt teilzunehmen, wurde die Kooperative auf Veranlassung des KGB geschlossen und ich mußte nach Kiew und Moskau zurückkehren. Hier beteiligte ich mich an Demonstrationen, wurde häufig verhaftet und zu hohen Geldstrafen verurteilt. Damals reifte mein Entschluß zu emigrieren. Gezielt suchte ich den Kontakt zu Ausländern und zu Juden, die Ausreisegenehmigungen erhalten hatten.

Bei auftauchenden Schwierigkeiten war ich oftmals gezwungen, mich beim KGB zu melden, der mich auch materiell zeitweilig mit bis zu 60 Rubel im Monat unterstützte. Da ich keine eigene Wohnung besaß, übernachtete ich bei Bekannten und in Werkstätten einiger Künstlerkollegen. Damals begann ich meine Gemälde auszustellen. Ich gründete die Künstlergruppe „Kto“ („Wer“) und nahm an Konferenzen avantgardistischer Künstler in Moskau teil. Ab und zu gelang es, Bilder an Ausländer zu verkaufen oder sie an Galerien in Kiew und Moskau zu Ausstellungszwecken zu geben.

Da die Sowjets die Ukraine russifiziert und die ukrainische Sprache – insbesondere an Schulen und Hochschulen – benachteiligt haben, wuchs mein Interesse an nationalen ukrainischen Fragen und ich trat in die Vereinigung für ukrainische Sprache und Literatur „Schewtschenko“ ein. Taras Schewtschenko gilt als einer der Begründer der ukrainischen Literatursprache. In dieser Vereinigung leitete ich einen Philosophie-Zirkel.

Unterdessen forderte mich der KGB auf, ukrainisch-nationalistische und ukrainisch-patriotische Organisationen zu infiltrieren, was ich ablehnte. Daraufhin setzte ich den KGB von meinem Ausreisewunsch in Kenntnis.

1989 verschaffte mir ein mir bekannter Adventist eine Einladung für die Tschechoslowakei. Ich reiste nach Prag aus, und weiter nach Belgrad, wo ich bei der UNO-Vertretung um politisches Asyl bat und auf meine Ausreise in die USA wartete. Mit der Drohung, meine Familie nicht ausreisen zu lassen und sie unter Druck zu setzen, forderte der KGB meine Rückkehr. Ich hielt dieser psychischen Belastung nicht stand und kehrte in die Ukraine zurück um gemeinsam mit meiner Familie einen zweiten Ausreiseanlauf zu unternehmen. Da sich meine geschiedene Frau aber weigerte, zusammen mit mir offiziell um eine Ausreise nachzusuchen, schickte ich meine Unterlagen an die Caritas in Wien und an die US-amerikanische Botschaft in Moskau. Da Antworten ausblieben, wollte ich versuchen, meine sowjetische Staatsbürgerschaft abzugeben.

Ich erheilt eine zweite Einladung in die Tschechoslowakische Sowjetische Republik CSSR sowie jeweils ein Visum für die Schweiz und für Dänemark. In Begleitung einer Bekannten, die einen Arbeitsvertrag in der DDR besaß, reiste ich in die DDR, nach Finsternwalde aus. Kurz vor meiner Abreise aus der Sowjetunion hatte ich noch eine Unterredung mit einem KGB-Offizier, der mir zu verstehen gab, daß der KGB an einer im US-State-Department beschäftigten Bekannten interessiert sei. Ich sollte innerhalb einer Jahresfrist zurückkehren um Bericht zu erstatten.

Anfang Juli 1990 erhielt ich von der Deutschen Botschaft in Moskau ein 3 Monate gültiges Besuchsvisum. Mit finanzieller Unterstützung von Freunden reiste ich Mitte September 1990 von Moskau nach Berlin und Frankfurt a.M., erwarb dort einen Gebrauchtwagen und fuhr zunächst nach München weiter. In München hatte ich deshalb noch keinen Asylantrag gestellt, weil ich vorher noch einmal zu einer Ausstellung meiner Bilder in Prag fahren wollte. Ende Oktober 1990 fuhr ich dann nach Prag. Ich erhoffte mir dort von einem Bilderverkauf auch etwas Geld zum Leben. Dort hielt ich mich etwa 10 Tage auf. Auch in Prag wurde ich von KGB-Mitarbeitern darauf aufmerksam gemacht, daß ich im nächsten Jahr in der Ukraine zurückerwartet würde. Nichtsdestotrotz entschloß ich mich, stattdessen wieder nach München zu reisen um von dort zu meinen – inzwischen in die USA emigrierten – Kindern zu gelangen. Da inzwischen mein Visum für Deutschland abgelaufen war, ging ich in Prag zur Deutschen Botschaft, legte dort meinen sowjetischen Paß vor und ersuchte um eine Verlängerung. des Visums. Ich erhielt aber keine Verlängerung. In der nunmehr Tschechoslowakischen Föderativen Republik CSFR wäre ich zu dieser Zeit als Sowjetbürger in einer sehr ungünstigen und unangenehmen Situation gewesen. Daraufhin verlängerte ich eigenhändig den Sichtvermerk, indem ich zwei Zahlen veränderte und reiste danach wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein.

In München wollte ich mit Malen auf öffentlichen Straßen und Plätzen etwas Geld zum Leben verdienen. Am Vormittag des 24.November 1990 wurde ich beim Malen auf dem Karlsplatz von der Polizei aufgegriffen und festgenommen.

Der Rechtsanwalt, der mich im Gefängnis aufsuchte, legte mir mehrere Dokumente zur Unterschrift vor und stellte mir eine rasche Freilassung in Aussicht. Einige Tage später stellte sich jedoch heraus, daß mir eine sechsmonatige Haft mit anschließender Abschiebung nach Moskau drohte. Daraufhin trat ich in Hungerstreik und stellte einen Asylantrag, um in die USA zu meinen Kindern ausreisen zu dürfen. Drei Wochen später wurde ich entlassen und wandte mich dann an die US-Behörden mit der Bitte um Emigration in die USA. Mein Ersuchen wurde – mit Verweis auf das fehlende Einverständnis meiner geschiedenen Ehefrau – abgelehnt.

Im April 1991 erstattete ich meiner Bekannten in Finsternwalde das geliehene Geld, nachdem ich meinen Pkw verkauft hatte. In Finsternwalde traf ich außerdem mit einem Mitarbeiter der militärischen Abteilung des KGB und mit Mitarbeitern des militärischen Abschirmdienstes GRU zusammen, die mich zur Zusammenarbeit verpflichteten. Meine Aufgabe sollte darin bestehen, desertierte Offiziere der sowjetischen West-Armee und sog. „Vaterlandsverräter“ aufzuspüren. Mir wurden ihre Namen und Dienstgrade genannt. Monatlich hätte ich meine Berichte in Finsternwalde abliefern und rückkehrwillige Deserteure den Militärbehörden überstellen sollen.

Im Mai 1991 fuhr ich erneut nach Finsternwalde um dort verbliebene Gemälde abzuholen. Da ich meine „Aufgabe“ nicht erfüllt hatte, drohte mir der GRU, mich nach Moskau auszufliegen. Bei diesem Gespräch betonte ich, mich zu keiner Zusammenarbeit mit den Militärbehörden der Sowjetarmee mehr verpflichtet zu fühlen. Darüber hinaus würde die deutsche Polizei sicher auch bald auf meine häufigen Fahrten zu sowjetischen Kasernen aufmerksam werden. Meine Gesprächspartner wiesen mich daraufhin, ich sei „nicht besser gestellt als ein Deserteur“, Gefahr durch die deutschen Behörden hätte ich nicht zu befürchten. Es sei meinem Asylantrag sogar förderlich, wenn ich mit ihnen zusammenarbeiten würde. Da ich befürchtete, das Kasernengelände nicht mehr verlassen zu können, lenkte ich ein. Nachdem ich das Gelände verlassen hatte, fasste ich den Entschluß, zunächst nichts zu unternehmen und abzuwarten. Am 21.August 1991 scheiterte in Moskau ein Putsch gegen den Kremlchef Michail Gorbatschow, angezettelt vom KGB-Chef und vom Verteidigungsminister. Erst nach dem Fehlschlag dieses Putschversuches überwand ich meine Furcht vor der Rache des KGB und offenbarte mich am 2.September 1991 den US-Behörden in München. Ich tat dies, weil ich fürchtete, von den bundesrepublikanischen Behörden auf Grund von Absprachen, die der BND mit dem KGB getroffen hatte, an Moskau ausgeliefert zu werden. Die Amerikaner erklärten mir, daß die deutschen Behörden für meinen Fall zuständig seien.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf erkannte mich mit Bescheid vom 14.August 1991 als Asylberechtigten an und gab mir Abschiebeschutz. Im Laufe eines zweiten Gesprächs mit US-Behörden wies man mich an, auf einen Besuch des BND gefasst zu sein. Am 16.September 1991 erhielt ich einen Brief aus Salzbach, in dem es hieß, der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten habe gegen meinen asylanerkennenden Bescheid Klage erhoben. Da sich bis dahin niemand vom BND bei mir gemeldet hatte, fuhr ich selber nach Pullach, wo ich ein eingehendes Gespräch mit 2 Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter führte. Sie rieten mir, mich an einen Rechtsanwalt zu wenden. Da ich um meine Sicherheit fürchtete, meldete ich mich darüber hinaus bei der Kriminalpolizei in München. Im Februar 1992 erhielt ich einen Telefonanruf eines KGB-Mitarbeiters aus Finsternwalde, der mich aufforderte, mich bei ihm einzufinden. Bei diesem Telefongespräch machte er Andeutungen meine Gesundheit betreffend. Ich sagte ihm, ich könne nicht kommen. Am 11.März 1992 wurde ich erneut telefonisch aufgefordert, mich in Finsternwalde zu melden. Ich fürchte nach wie vor um meine Sicherheit.