2007 Nachruf aus der russischsprachigen Wochenzeitung „Kontakt“ Nr. 5 2007

Nachruf aus der russischsprachigen Wochenzeitung „Kontakt“ Nr.5/2007:

 Lebewohl

 Vom Wind umher getrieben

 Voller Schmerz blättere ich im Gedächtnis die Seiten unserer Freundschaft durch. Unser erstes Treffen, als er am Eingang wartete – mit langem Haarreifen, in einem warmen Sweater, und im Gehäuse seines Autos, erinnere ich mich, entdeckte ich zu meiner Überraschung ein Bukett von irgendwo am Weg gepflückter Feldblumen.

Aha, so ist das, das ist ein freier Künstler. Und danach gingen wir zu seiner Ausstellung. Und Valerij Gourskij führte mich durch die engen Korridore der Galerie  (im Wiesbadener Verwaltungsgericht war schon das Ende des Arbeitstages erreicht) und er zeigte seine Arbeiten, Porträts, Landschaften, von Bewegung erfüllt und in lebhaften Farben. „Und das hier bin ich“ –  sagte Valerij, als wir den Blick auf eines seiner Bilder richteten – „es heißt  ‚Vom Wind umher getrieben’, und es handelt von mir.“

Als wir die Ausstellung verlassen hatten, schaute uns die römische Göttin Minerva hinterher, eine große hölzerne Skulptur, vom Künstler geschaffen.

Die westliche Welt zog Valeri an. Er konnte in einem von Schranken errichteten System nicht leben – ihn dürstete nach Freiheit, er wollte Unabhängigkeit. Doch nicht alles erwies sich so einfach, wie man dachte. Hier, im Westen, existierten auch dessen Gesetze, hier ging ein heftiger Kampf ums Überleben.

Er zeichnete auf den Straßen Münchens und Wiesbadens, erwarb den Status eines freien Künstlers, als man ihm den Stempel mit der Aufschrift „Maler“ aufdrückte.

Er erwies sich als ein Mensch ohne Staatsangehörigkeit, aber er verschaffte sich Anerkennung und Aufmerksamkeit. Und nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch in verschiedenen Städten Deutschlands stehen jetzt seine Skulpturen, fanden seine Ausstellungen und Vernissagen statt.

Als guter Freund unserer Familie verschwand er, tauchte von Neuem auf, kam uns besuchen ohne „Termine“ und Anrufe, er war ein guter und wie ein Kind unmittelbarer Mensch, mit so einem war gut lachen und über alles reden, was es auf der Welt gibt. Irgendwann einmal träumte er davon, Paris und New York zu erobern, und nur der Weg zurück war ihm durch eine dicke Mauer aus Bürokratentum versperrt.

Aber er wollte doch so gerne seine Mama wieder sehen, sie geht schon auf die Neunzig zu, und sie ist sehr krank …..

Und so erhielt ich ganz plötzlich die tragische Nachricht von unserem gemeinsamen Bekannten                 , Richter von Beruf, einem großen Verehrer der Kunst und langjährigem Leiter der Galerie in Wiesbaden, er war ein guter Freund Gourski’s, lange Jahre focht er einen bürokratischen Kampf mit den Beamtenseelen um die Legalisierung des Status von Valeri. Und es fehlte nur ein halber von den lang ersehnten Schritten zur Erlangung der Staatsbürgerschaft.

Doch da war noch etwas …   Es war da auch der größte Traum von Valeri – nach langen Jahren des Wartens konnte er zu guter Letzt in die Ukraine fahren, um sich mit seinen Nächsten zu treffen. Er hatte geplant, bald nach Deutschland zurück zu kommen. Nun …. er kam nicht mehr zurück. Ein erfahrener Chauffeur, starb er bei einem Autounfall auf den Straßen Polens.   Vom Wind umhergetrieben ….

Man hat ihn in Kovel, wo er herstammte, bestattet.

Und so ist er wieder zu seiner Mama zurückgekehrt – doch jetzt für immer.

Es bleiben Schmerz und Leere, und noch Bilder und Skulpturen.

Valeri, wir werden an Dich denken.

 Olga Fefer

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