Der vom Wind Verfolgte

Rezension von Valeri Gourski’s Gemäldeausstellung in der Galerie im Verwaltungsgericht Wiesbaden im Sommer 1998, abgedruckt in der russischsprachigen Wochenzeitung „Kontakt“ Nr.19/1998, Seite 21:

 Der vom Wind Verfolgte

 Im Gebäude des Verwaltungsgerichts Wiesbaden war es zu dieser nachmittäglichen Zeit still. Der Arbeitstag war längst beendet. Aber ein anderes Leben schloß sich daran an., erfüllt vom Zauber der Farben, der Sonnenlichtflecke und Kontraste. Drei ukrainische Künstler – Emiliya Rudaschewskaja aus Odessa, Valentina Petrovec aus Kovel und Valéri Gourski aus Kiew – stellen hier zur Zeit ihre Arbeiten aus. Und so fing alles an:

Ein Telefonanruf störte meine gewohnte Lebensweise. „Ich bin ein Künstler“, erklang im Telefon eine Männerstimme, „hätten Sie nicht Lust meine Ausstellung zu besuchen?“

Zum guten Schluß stimmte ich – ohne lange zu überlegen – zu. Und so machte mich Valéri mit seinen Arbeiten bekannt, und zugleich teilte er mir seine Erinnerungen mit, erzählte mir von seinen künstlerischen Plänen. Die Themen seiner Arbeiten sind vielseitig wie auch der Stil, in dem der Künstler arbeitet. Die Konflikte der Justitia und Minerva, der beiden römischen Göttinnen, der Schirmherrinnen der Gerechtigkeit, der Handwerke und der Künste, biblische Motive, das Thema des Holocaust und Wiesbadener Landschaften, großartige Skulpturkompositionen, als Holzschnitzwerk ausgeführt.

Valéri Gourski hat viel auf seinem Weg durchlebt. Er war Kaufmann, Geistlicher, hat die Expressionisten-Gruppe „Kto?“ („Wer?“) gegründet. Soweit seine Arbeit.

Ich erinnere mich an das Kinderviertel neben dem Zentralomnibusbahnhof in Kiew und die dörflichen Strukturen am Stadtrand, nicht weit weg vom Museum der Volksarchitektur, wo ich mit meiner Mutter oft gerne spazierengangen war, im Schatten der alten Kiefern, auf der kleinen Brücke, nachdenklich, mit der ukrainischen Längsflöte Sopilka in den Händen. Doch wer konnte ahnen, daß mich das Schicksal nach vielen Jahren mit dem Schöpfer dieser Arbeiten in Deutschland zusammenführte?

„Ich wollte dort eine ganze märchenhafte Lichtung schaffen“, sagt Valéri. Doch war es seinen Träumen leider nicht vergönnt wahr zu werden.

Die westliche Welt lockte Valéri mit ihrer Freiheit und Unabhängigkeit. Doch als die illusorischen Vorstellungen zerstoben waren, erwies sich die Realität viel komplizierter: die heftige Konkurrenz der Künstler, der Überlebenskampf und der Erwerb des Status eines freien Künstlers. Ein Ergebnis dieses Kampfes war sein Gemälde „Stempel“; darauf drückt ein Uniformierter einem Künstler einen Stempel mit der Aufschrift „Maler“ auf die Stirn. Valéri hat diesen Kampf gewonnen. Heute ist sein Name in Deutschland bekannt, über seine Kunstwerke haben die deutschen Zeitungen wiederholt geschrieben und viele Male seine Arbeiten vorgestellt.

„Und das hier bin ich“, sagt mir der Künstler, als wir uns einem seiner Bilder näherten. „’Der vom Wind Verfolgte’ heißt es, und es handelt von mir.“

Wenn ich über Valéri Gourski schreibe, muß ich auch einen Menschen erwähnen, der diese Ausstellung organisierte: Horst Schäfer, Richter von Beruf, ein großer Verehrer und Kenner der Kunst. Die Galerie im Verwaltungsgericht Wiesbaden besteht schon seit mehr als 10 Jahren. Leicht und angenehm in der Begegnung, mit Sinn für Humor, betreibt Herr Schäfer mit Kollegen die Kunstgalerie nicht zufällig an einem – man möchte sagen – der Kunst absolut nicht zuzuordnenden Ort, nämlich in einem Gerichtsgebäude. „Menschen sind eher bereit zum Zahnarzt zu gehen als ein Gebäude zu besuchen, in dem Recht gesprochen wird“, lächelt der Richter. „Und um den Gerichtsbesuchern die Spannung und Anspannung zu nehmen, die sie vor einer mündlichen Verhandlung haben, sowie gleichzeitig zu versuchen, den Konflikt zwischen Rechtsprechung und Kunst auszugleichen, kam uns die Idee, solche Kunstausstellungen in unserem Gerichtsgebäude zu organisieren. Valéri Gourski’s Ausstellung ist nun schon die 51-ste.“ Ich habe den Eindruck, daß dem Herrn Richter das Schaffen von Künstlern aus Osteuropa besonders am Herzen liegt.

Achtung Künstler und Kunstliebhaber!

 Die Galerie im VG Wiesbaden wird gerne bei der Ausstellung Ihrer Arbeiten in der Galerie im Verwaltungsgericht Wiesbaden helfen. Interessierte Personen und solche, die mit dem Künstler Valéri Gourski in Verbindung treten wollen, können sich unter den Telefonnummern 0611-……….…melden.

Olga Fefer